Geiz ist geil an der Fleischtheke

Fleisch- und Wurstwaren werden hierzulande so produziert, dass sie zu möglichst kleinen Preisen verkauft werden können, denn das wünscht sich König Kunde. Und die Königsdisziplin deutscher Verbraucher ist es nun einmal, billig einzukaufen. Koste es, was es wolle, zur Not auch die eigene Gesundheit. Über das unsägliche Leid der Nutztiere wird bequemerweise gar nicht erst nachgedacht, zu unerfreulich ist dieses Thema. Der Kunde will sich schließlich nicht die Lust am Billigkonsum verderben lassen, denn Geiz ist nun einmal geil - auch an der Fleischtheke!

Statistisch gesehen, liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch in Deutschland derzeit bei etwa 60 Kilogramm. 90 Prozent der Deutschen sind regelmäßige Fleischesser, ein großer Teil dieser Zeitgenossen gehört darüber hinaus zur Gruppe derjenigen, die den Gürtel - zumindest finanziell - immer enger schnallen müssen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist Geiz, der früher gesellschaftlich verpönt war, nicht zuletzt durch aggressive Werbeslogans längst salonfähig geworden. Auch beim Kauf von Fleisch und Wurst gilt es, für möglichst wenig Geld die Einkaufstaschen und später die Bäuche prall zu füllen.

Hat ein einfacher Arbeiter 1950 für ein Kilogramm Schweinefleisch noch durchschnittlich 3,5 Stunden arbeiten müssen, so sind es heute nur noch 26,5 Minuten, was insbesondere in der zunehmenden "Optimierung" der Massentierhaltung begründet liegt. Um derart billige Ware an den Mann und die Frau bringen zu können, ist der konventionellen fleischproduzierenden Industrie scheinbar nahezu jedes Mittel Recht. Wen wundert es da, dass sich diese Anpassung an den Kundenwunsch nach günstigen Schnitzeln negativ auf die Haltung und den Transport der Nutztiere auswirkt und letztlich auch der Gesundheit der Konsumenten schadet?

Kaum ein anderes Lebensmittel war in den vergangenen Jahrzehnten ähnlich skandalbehaftet und derart häufig in den Horrorschlagzeilen der Medien präsent wie verdorbenes, gepanschtes oder mit Fremdstoffen belastetes Fleisch. Die Konsumeinbrüche hielten jedoch nie lange an, egal, um welchen Fleischskandal es sich auch handelte. Die nur vorübergehend verschreckten Verbraucher verfielen rasch wieder in ihren gewohnten Scheuklappen-Alltagstrott und kauften weiterhin Fleischberge zum Dumpingpreis, sobald die Bilder von Massenkeulungen unter grausamsten Bedingungen nicht mehr über die Bildschirme flimmerten und auch die Lebensmittelkontrolleure in ihren Instituten wieder verstummten.

Sorgen um die eigene Gesundheit machen sich die wenigsten Konsumenten. An die unfreiwilligen Lieferanten des "Lebens"-Mittels, nämlich die Tiere, verschwenden noch weniger Menschen einen Gedanken. Zu unerfreulich erscheint es den meisten Zeitgenossen, das Thema "Nutztierhaltung" vor der Heile-Welt-Konsumkulisse kritisch zu betrachten. "Ausblenden statt reflektieren" heißt die geistige Devise der Kunden. Bestürzend ist die Tatsache, dass selbst die zahlreichen Negativschlagzeilen rund um das Produkt Fleisch bisher nicht dazu beigetragen haben, den Ruf von biologisch erzeugten Fleischwaren und damit die Lebensbedingungen für Nutztiere zu verbessern.

Weshalb Massenware so billig ist ...
"Die wollen doch nur unser Geld! Man zahlt für das Wort 'Bio' nämlich dick extra, wissen 'se?" Davon ist zumindest mein Nachbar fest überzeugt. Er zählt 71 Lenze und kann auf einen stattlichen Wohlstandsbauch blicken, den er sich mit seiner täglichen "ordentlichen Portion" Supermarkt-Fleisch angefuttert hat. Bio ist für ihn schlicht ein Modewort, das von profitgierigen Geschäftsleuten für ungerechtfertigte Preisaufschläge missbraucht wird. Auf das Leid der Nutztiere in der Massentierhaltung angesprochen, winkt er nur ab: "Unser Leben ist doch auch kein Zuckerschlecken, wen kümmern da die Tiere?" Erschreckend, dass ein Mensch mit derart viel Lebenserfahrung so ignorante Ansichten hegt. Leider ist mein Herr Nachbar kein Einzelfall.

Dabei ist es ein simples Rechenexempel, das belegt, weshalb Bio-Fleisch teurer als konventionelle Ware ist und weshalb Tiere in biologischen Mastbetrieben um Klassen würdiger leben als ihre Artgenossen aus der Turbomast. Erst kürzlich hat das bei den Zuschauern beliebte WDR-Wissenschaftsmagazin "Quarks & Co." das Thema Fleisch aufgegriffen und anhand eines informativen Fernsehbeitrags dargelegt, woraus sich die höheren Preise für Bio-Fleisch ergeben.

Woraus setzt sich der Preis für ein Schnitzel also tatsächlich zusammen? Einerseits schlagen die Kosten für die Aufzucht der Schweine zu Buche, die in einem Bio-Betrieb erheblich höher sind als in der Massentierhaltung. Der porträtierte Ökolandwirt hält "nur" 270 Mastschweine sowie 80 Zuchtsauen, seine jährliche Schlachtquote liegt bei rund 10.000 Tieren. Die Schweine werden auf dem Hof nicht nur mit artgerechtem Bio-Futter, sondern auch mit Stroh versorgt, sie leben in einem beheizten Gebäude und erhalten täglich frisches Wasser sowie Pflege durch den Menschen. Aus den Material- und Personalkosten ergeben sich 2,49 Euro pro Kilogramm Fleisch bei einem schlachtreifen Schwein, das ein tiergerechtes Leben führen durfte.

Konventionelle Betriebe erhalten für ein Kilogramm Fleisch hingegen nur 1,43 Euro - das besagt eine entsprechende Richtlinie. Deshalb füttert man die Tiere mit industriell "aufgepepptem" Futter, das chemische Zusätze wie Antibiotika enthält, die nicht nur potentiellen Krankheiten entgegen wirken, sondern den Appetit steigern und die Mastdauer verkürzen. Stroh gibt's in der Massentierhaltung nicht, die Tiere werden auf leicht zu reinigenden Kunststoffböden mit Spalten gehalten, durch die die Exkremente fallen. Als artgerechte Unterbringung ist dies freilich nicht zu bezeichnen.

Auch die Schlachtung verursacht Kosten. Beim Ökobauern werden wöchentlich Schweine geschlachtet, wofür Personal, Infrastruktur (ein Schlachthaus) und natürlich auch Energie berechnet werden müssen. Daraus ergeben sich 35 Euro pro Schwein, was einem durchschnittlichen Kilo-Preis von 0,37 Cent entspricht. In konventionellen Schlachthäusern werden im Fließbandbetrieb unter für die Tiere grässlichen Bedingungen Schweine für 23 Cent pro Kilo geschlachtet - und diese Schlachtbetriebe liegen für gewöhnlich nicht auf dem Grundstück des Mastbetriebes, sodass die Tiere zunächst noch einen mehr oder minder langen Transport über sich ergehen lassen müssen, bevor sie ihr Leben lassen.

Der nächste Kostenfaktor bei der Herstellung von Schnitzeln ist das Zerlegen der geschlachteten Tiere. Nutzbar sind nur etwa zwei Drittel eines geschlachteten Schweins, der Rest sind Knochen und Abfälle, die zur Entsorgung in die Tierkörperverwertung überführt werden, was ebenfalls etwas kostet. Für den Ökobauern ergeben sich durch das Zerteilen und Entsorgen Kosten von 2,74 Euro pro Kilogramm, hat der WDR berichtet. Der konventionelle Betrieb hält mit nur 47 Cent dagegen.

Letzte Kostenfaktoren sind Transport und Verkauf des zu Schnitzeln verarbeiteten Schweinefleisches. Das Fahr- und Verkaufspersonal will bezahlt werden, deshalb ergibt sich unterm Strich ein Ladenpreis von 14,50 Euro pro Kilogramm Bio-Schnitzel. Im Supermarkt ist das Fleisch hingegen für nur etwa 7,00 Euro zu haben. Nicht eingerechnet in diese Preise sind die durch die Mast verursachten Umweltschäden. Auch das Leid der Tiere lässt sich freilich nicht in Euro beziffern.

Das Fazit aus diesen Betrachtungen ist: Geiz beim Fleischkauf ist tierverachtend und gesundheitsschädlich. Es wäre wünschenswert, dass diese unbequeme Tatsache endlich in den Köpfen möglichst vieler Verbraucher ankäme und nicht weiter gegeizt würde, bis die Schwarte kracht.

 

Quelle: Fleisch bei 'Quarks & Co.'

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